Gemeindefusion I : ZüKaLü, oder wie aus Stroh Gold gesponnen werden soll


Das Hauptargument für Gemeindefusionen ist immer wieder: durch die Zusammenlegung der Haushalte sei die neue Großgemeinde in der Lage Infrastrukturprojekte (Straßenbau etc.) besser zu finanzieren. Woher kommt dieses Argument und stimmt es überhaupt?



Im Flyer, den jeder Haushalt bekommen hat, (und in dem überraschenderweise nur Vorteile vorkommen) heißt es: "Die drei Gemeinden können ihre finanziellen Mittel bündeln, um Projekte zu realisieren, für die die Finanzkraft einer Gemeinde nicht ausreicht.“ Also ist zunächst zu fragen, was haben die Gemeinden an finanziellen Mitteln und was passiert, wenn man diese bündelt:
  
 "Macht Minus und Minus nun plötzlich Plus?"

Die Gemeindehaushalte von Karlsburg und Lühmannsdorf sind seit Jahren im Minus, Züssow erwirtschaftet noch ein kleines Plus, wobei alle drei Gemeinden einen nicht unerheblichen Schuldenberg vor sich herschieben (die Daten der Einzelgemeinden können hier eingesehen werden: Amt Züssow). 



Durch die Fusion passiert auf der Einnahmeseite zunächst einmal gar nichts, denn die neue Großgemeinde bekommt nicht einen müden Cent mehr vom Land für Ihren Haushalt überwiesen. Die Großgemeinde wird daher auch weiter Schulden anhäufen.

Was das für das Argument "man könne bündeln" heißt, spielen wir einmal an einem einfachen Beispiel durch: Zwei Personen mit einem Dispokredit von sagen wir jeweils 1000 €, den sie schon mit 500 Euro belastet haben, tun sich mit einem Dritten, der noch 500 € Guthaben hat zusammen.
Zusammen sind sie dann nicht mehr mit 1000€ im Minus, sondern nur noch mit 500€. Die wesentliche Änderung besteht darin, dass alle drei zusammen nun einen Dispokredit von 3000€, statt vorher jeweils 1000€ haben. Das heißt, sie könnten leichter weitere 2500€ Schulden machen, bevor sie ganz bankrott sind.

Wer hier von neuen finanziellen Möglichkeiten und vom Aufbau von Infrastrukturprojekten spricht, muss schon einen sehr exklusiven Blick auf die Realität haben. Das Argument als solches, lässt sich jedenfalls nicht halten.

„Was sagt die Landesregierung zu diesem Punkt?“

Die Landesregierung von MV setzt alles daran, dass diese Gemeindefusionen durchgezogen werden. Also wird man erwarten dürfen, dass sie entsprechende Belege für Ihr Hauptargument haben wird. Ein Abgeordneter des Landtages hat dann auch folgerichtig dem Innenminister folgende Frage gestellt:

„Konnte  bei  fusionierten Gemeinden ein Einsparungseffekt  festgestellt werden? Wenn ja, wo sind entsprechende Effekte zu beobachten gewesen?“

Die Antwort des Innenministers ist ebenso erbärmlich wie entlarvend:

Da es   in   Mecklenburg-Vorpommern   bisher   keine   gesetzlichen   oder   administrativen Gemeindezusammenschlüsse gab, bestand für die Landesregierung -anders als bei der Kreisgebietsreform - keine Veranlassung, fusionsbedingte Einspareffekte näher zu untersuchen.

Auf Deutsch heißt das: wir wissen es nicht, behaupten aber trotzdem fröhlich es sei so. 

„Was sagen wissenschaftliche Studien dazu?“



Anders als das Innenministerium MV haben sich Wissenschaftler ziemlich intensiv mit der Frage der der Auswirkungen von Fusionen beschäftigt und kommen zu einem eindeutigen Urteil. 

Screenshot: https://www.oberhessen-live.de/2018/01/17/die-meisten-fusionen-sind-voellig-sinnlos/
Die immer wieder behaupteten größeren finaziellen Möglichkeiten durch Fusionen konnte Prof. Schaltegger nirgends finden (die gesamte Studie gibt es hier). Auch ein deutsches Forscherteam hat in einer großangelegten Metastudie keinen Beleg dafür finden können, dass finazielle Spielräume entstehen und größere Projekte realisiert werden können - dafür fanden sie aber eine Reihe deutlicher Negativeffekte (auch diese Studie kann hier komplett nachgelesen werden).


Fazit


Am Ende bleibt vom finanziellen Hauptrgument nichts übrig, zumal die Beteilgten auch nicht erklären können, wann schon einmal ein Fall eingetreten ist, in dem man nicht in der Lage war, den Eigenamteil von Projekten (auch hier wieder über Kredite) aufzubringen. Folgt man den objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen, so ist sogar zu befürchten, dass sich die Lage eher noch verschlechtert.


Sollten die Fusionsbefürworter nicht zufällig die schöne Königstochter aus Rumelstilzchen im Keller sitzen haben, welche fleißig Stroh zu Gold spinnt, sollte man das Finanzargument als das betrachten was es ist: ein Märchen.




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